2 - Diagnostik und Therapie der Essstörungen: eine psychosomatische Herausforderung [ID:1793]
50 von 286 angezeigt

Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Mein Thema heute, Estörungen. Mit Estörungen beschäftige ich mich jetzt mittlerweile schon

20, 25 Jahre. Zuerst klinisch, dann zunehmend auch wissenschaftlich. Und ich habe versucht,

eine Mischung zwischen Klinik und auch unserer wissenschaftlichen Tätigkeit zusammenzustellen.

Das ist jetzt die Einteilung der Estörungen, wie wir sie heute in unserem psychiatrischen

und psychosomatischen Klassifikationssystem verstehen. Es ist eigentlich ganz einfach,

es gibt die Magersucht oder Anorexiernervoser, die sogenannte Esbrechsucht oder Bulimianervoser und

dann gibt es noch andere Estörungen, die weitaus den größten Teil der Estörungen ausmachen.

Man unterscheidet dann noch bestimmte klinische Subgruppen. Die neueste Störung ist die Binge-Eating-

Störung hier, die einer Bulimie sehr ähnlich ist, aber ohne den sogenannten kompensatorischen

Verhaltensweisen wie Erbrechen oder strikten Fasten besteht. Frau Haberer hat bereits die Frage

gestellt oder bereits erwähnt, dass es immer noch zum Tode führen kann. Die Anorexie trotz

unserer modernen Behandlungsmethoden, das kann ich nur bestätigen, hungern bis zum Tod, leider ja.

Das hier ist eine sehr interessante Untersuchung eines Kollegen aus dem südbayerischen Raum,

eine große psychosomatische Klinik. Er hat anorektische und bulimische Patientinnen,

die stationär behandelt wurden, nach untersucht und zwar immerhin zwölf Jahre lang. Das ist schon

sehr beachtlich und Sie sehen hier unten, dass acht Prozent der anorektischen Patientinnen zwölf Jahre

nach stationärer Aufnahme verstorben waren. Das ist bei einer so jungen Patientengruppe eine sehr

hohe Anzahl, im Gegensatz zu den bulimischen Patienten, wo die Todesrate, Sterblichkeitsrate

nahe an der allgemeinen Bevölkerung dieser Altersgruppe steht. Hier müssen Sie bitteschön nicht

die Tabelle lesen können, sondern nur das, was hier im Kasten steht. Das ist die Anzahl

der Langzeituntersuchungen, die sich mit der Mortalität der Anorexie beschäftigt hat und

das Ergebnis ist, dass die sogenannte standardisierte Mortalitätsrate, also die

Mortalitätsrate im Vergleich zu einer gleichalterigen Gruppe in der allgemeinen Bevölkerung um etwa das

6,2-fache bei der Anorexie erhöht ist, das entspricht Suchterkrankungen. Auch nach 20 Jahren

Erkrankung ist die Mortalität noch erhöht und was recht erstaunlich ist und da sind sich die

Studien ziemlich einig, 20 bis 30 Prozent versterben durch Suizid und das bringt mich gleich zu einem

zweiten wesentlichen klinischen Punkt, nämlich den der psychischen Kompassität. Viele Mädchen,

sind ja meist Mädchen, mit Essstörungen haben zusätzlich andere psychische Probleme, die dann

den Verlauf, den Krankheitsverlauf verkomplizieren können. Sehr häufig bestehen gleichzeitig

Depressionen, das würde ich Suizidalität erklären, aber auch Ängste und Zwänge,

gelegentlich Substanzabhängigkeit und unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen,

so nennen wir das bis hin zu sehr impulsiven Persönlichkeitsstörungen mit Selbstverletzung.

Nur ein paar Worte zur Epidemiologie und zu Diagnostik. Das ist übrigens eine Kellogg's

Werbung. Kumulative Lebenszeitprävalenz, eine alte, kumulative Lebenszeitprävalenz, wie häufig sind

Essstörungen überhaupt? Hier gibt es in Deutschland leider sehr, sehr wenig Daten, aber es gibt einige

gute, große, amerikanische, epidemiologische Untersuchungen. Sie sehen hier, das ist, wenn sie 80

sind, also unter den 80-Jährigen, haben etwa 0,6 Prozent die Chance, irgendwann mal in ihrem Leben

eine Anorexie gehabt zu haben. Man sieht auch, dass die Anorexien hier bis zum 25. Lebensjahr

beginnen, dann gibt es faktisch keine Neuerkrankungen mehr. Polymies etwas häufiger, 1,1 Prozent,

kumulativ. Der Erkrankungsbeginn geht hier ungefähr bis zum 45. Lebensjahr. Also die Anorexie

als Pupertätsmagersucht zu bezeichnen, ist durchaus korrekt. Sie beginnt meistens um die Pupertät rum.

Das Verhältnis männlich-weiblich ist 1 zu 6 bis 1 zu 10. Daran hat sich auch nichts geändert.

Es ist immer noch eine weibliche Erkrankung. Es gibt einige junge Männer, die diese Erkrankungen

beide entwickeln. Die klinischen Bilder unterscheiden sich auch nicht sehr zwischen Männern und Frauen.

Ganz interessant ist, dass es wohl in der Familie ein erhöhtes Risiko gibt, an einer Essstörung zu

erkranken. Und außerdem, und das ist sehr wichtig, weil es für eine gewisse erbliche Veranlagung,

vor allem der Magersucht, spricht, haben Eineige Zwillinge eine erhöhte Konkordanzrate im Vergleich

zu Zweieggenzwillingen. Eineige Zwillinge sind ja genetisch ident. Zweieige Zwillinge sind wie Geschwister.

Wenn die Konkordanzrate, also das Gleichzeitig Auftreten derselben Störungen bei Eineigen Zwillingen

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Martina de Zwaan Prof. Dr. Martina de Zwaan

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:40 Min

Aufnahmedatum

2011-06-09

Hochgeladen am

2011-11-09 11:48:14

Sprache

de-DE

Essstörungen sind weiterhin ein gravierendes Problem vor allem bei Mädchen und jungen Frauen in unseren westlichen Gesellschaftsformen. Es handelt sich nicht nur um Aufmüpfigkeit, sondern um schwere psychische Krankheiten mit einer immer noch hohen Letalität. Aus diesem Grunde ist die Entwicklung effektiver therapeutischer Ansätze besonders wichtig.

Tags

Emmy-Noether-Vorlesung
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen