Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Mein Thema heute, Estörungen. Mit Estörungen beschäftige ich mich jetzt mittlerweile schon
20, 25 Jahre. Zuerst klinisch, dann zunehmend auch wissenschaftlich. Und ich habe versucht,
eine Mischung zwischen Klinik und auch unserer wissenschaftlichen Tätigkeit zusammenzustellen.
Das ist jetzt die Einteilung der Estörungen, wie wir sie heute in unserem psychiatrischen
und psychosomatischen Klassifikationssystem verstehen. Es ist eigentlich ganz einfach,
es gibt die Magersucht oder Anorexiernervoser, die sogenannte Esbrechsucht oder Bulimianervoser und
dann gibt es noch andere Estörungen, die weitaus den größten Teil der Estörungen ausmachen.
Man unterscheidet dann noch bestimmte klinische Subgruppen. Die neueste Störung ist die Binge-Eating-
Störung hier, die einer Bulimie sehr ähnlich ist, aber ohne den sogenannten kompensatorischen
Verhaltensweisen wie Erbrechen oder strikten Fasten besteht. Frau Haberer hat bereits die Frage
gestellt oder bereits erwähnt, dass es immer noch zum Tode führen kann. Die Anorexie trotz
unserer modernen Behandlungsmethoden, das kann ich nur bestätigen, hungern bis zum Tod, leider ja.
Das hier ist eine sehr interessante Untersuchung eines Kollegen aus dem südbayerischen Raum,
eine große psychosomatische Klinik. Er hat anorektische und bulimische Patientinnen,
die stationär behandelt wurden, nach untersucht und zwar immerhin zwölf Jahre lang. Das ist schon
sehr beachtlich und Sie sehen hier unten, dass acht Prozent der anorektischen Patientinnen zwölf Jahre
nach stationärer Aufnahme verstorben waren. Das ist bei einer so jungen Patientengruppe eine sehr
hohe Anzahl, im Gegensatz zu den bulimischen Patienten, wo die Todesrate, Sterblichkeitsrate
nahe an der allgemeinen Bevölkerung dieser Altersgruppe steht. Hier müssen Sie bitteschön nicht
die Tabelle lesen können, sondern nur das, was hier im Kasten steht. Das ist die Anzahl
der Langzeituntersuchungen, die sich mit der Mortalität der Anorexie beschäftigt hat und
das Ergebnis ist, dass die sogenannte standardisierte Mortalitätsrate, also die
Mortalitätsrate im Vergleich zu einer gleichalterigen Gruppe in der allgemeinen Bevölkerung um etwa das
6,2-fache bei der Anorexie erhöht ist, das entspricht Suchterkrankungen. Auch nach 20 Jahren
Erkrankung ist die Mortalität noch erhöht und was recht erstaunlich ist und da sind sich die
Studien ziemlich einig, 20 bis 30 Prozent versterben durch Suizid und das bringt mich gleich zu einem
zweiten wesentlichen klinischen Punkt, nämlich den der psychischen Kompassität. Viele Mädchen,
sind ja meist Mädchen, mit Essstörungen haben zusätzlich andere psychische Probleme, die dann
den Verlauf, den Krankheitsverlauf verkomplizieren können. Sehr häufig bestehen gleichzeitig
Depressionen, das würde ich Suizidalität erklären, aber auch Ängste und Zwänge,
gelegentlich Substanzabhängigkeit und unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen,
so nennen wir das bis hin zu sehr impulsiven Persönlichkeitsstörungen mit Selbstverletzung.
Nur ein paar Worte zur Epidemiologie und zu Diagnostik. Das ist übrigens eine Kellogg's
Werbung. Kumulative Lebenszeitprävalenz, eine alte, kumulative Lebenszeitprävalenz, wie häufig sind
Essstörungen überhaupt? Hier gibt es in Deutschland leider sehr, sehr wenig Daten, aber es gibt einige
gute, große, amerikanische, epidemiologische Untersuchungen. Sie sehen hier, das ist, wenn sie 80
sind, also unter den 80-Jährigen, haben etwa 0,6 Prozent die Chance, irgendwann mal in ihrem Leben
eine Anorexie gehabt zu haben. Man sieht auch, dass die Anorexien hier bis zum 25. Lebensjahr
beginnen, dann gibt es faktisch keine Neuerkrankungen mehr. Polymies etwas häufiger, 1,1 Prozent,
kumulativ. Der Erkrankungsbeginn geht hier ungefähr bis zum 45. Lebensjahr. Also die Anorexie
als Pupertätsmagersucht zu bezeichnen, ist durchaus korrekt. Sie beginnt meistens um die Pupertät rum.
Das Verhältnis männlich-weiblich ist 1 zu 6 bis 1 zu 10. Daran hat sich auch nichts geändert.
Es ist immer noch eine weibliche Erkrankung. Es gibt einige junge Männer, die diese Erkrankungen
beide entwickeln. Die klinischen Bilder unterscheiden sich auch nicht sehr zwischen Männern und Frauen.
Ganz interessant ist, dass es wohl in der Familie ein erhöhtes Risiko gibt, an einer Essstörung zu
erkranken. Und außerdem, und das ist sehr wichtig, weil es für eine gewisse erbliche Veranlagung,
vor allem der Magersucht, spricht, haben Eineige Zwillinge eine erhöhte Konkordanzrate im Vergleich
zu Zweieggenzwillingen. Eineige Zwillinge sind ja genetisch ident. Zweieige Zwillinge sind wie Geschwister.
Wenn die Konkordanzrate, also das Gleichzeitig Auftreten derselben Störungen bei Eineigen Zwillingen
Presenters
Prof. Dr. Martina de Zwaan
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:29:40 Min
Aufnahmedatum
2011-06-09
Hochgeladen am
2011-11-09 11:48:14
Sprache
de-DE
Essstörungen sind weiterhin ein gravierendes Problem vor allem bei Mädchen und jungen Frauen in unseren westlichen Gesellschaftsformen. Es handelt sich nicht nur um Aufmüpfigkeit, sondern um schwere psychische Krankheiten mit einer immer noch hohen Letalität. Aus diesem Grunde ist die Entwicklung effektiver therapeutischer Ansätze besonders wichtig.